Nein, der kleine Wolf hat mich nicht gebissen! Kleiner Wolf würde mir niemals das Geringste zuleide tun. Nein, er würde sein Leben einsetzten und für mich kämpfen.
Was ist geschehen? Wie jeden Tag habe ich den kleinen Wolf morgens von Monikas Nacht-Asyl abgeholt, bin kurz mit ihm im Wald getrappert, habe mit ihm schön alleine im Stuffergarten gefrühstückt, habe alsdann - wie im letzten Post erzählt - mit ihm an meiner Seite Blech restauriert, um danach den täglichen großen Waldspaziergang mit
Inuit Sylvia zu machen. Inuit sagte im Wald bei Vogelgesang:
"Heute ist ein schöner Tag..." Wir ahnten nicht, dass dieser Satz noch vervollständigt werden sollte.
"Heute ist ein schöner Tag zum Sterben..."
Fakt ist von Anfang an, seit wir Rambo aus der Hölle heraus geholt hatten: Kleiner Wolf muss seine Leitwölfin(nen) leidenschaftlich vor allen anderen, egal ob Mensch oder Hund, beschützen. Er geht auf alle, die er nicht kennt, drauflos. Auf Grund seiner 10-jährigen kathastrophal tierquälerischen Behandlung hatte ihn sein Vorbesitzer zum "Problemhund" gemacht.
Diagnose: nicht heilbar.
Unsere Lösung auf Zeit war, Rambo nun eine schöne Lebenszeit zu ermöglichen und ihn möglichst von allen Stress-Situationen fern zu halten, ihm Nähe, Liebe, Streicheleinheiten und Freiheit zu geben, so viel wie es nur geht. Eine
Vermittlung ins Tierheim war ohnehin nicht möglich - sie nahmen ihn gar nicht erst an.
Diagnose: isoliert halten, absolut unvermittelbar.
Das Drama mit der Baumrinde:
Inuit Sylvia und ich machen also gerade unsere tägliche große Wald-Wolfsrunde, als sich Hündin Emma mit Besitzerin nähert. Rambo will Dori verteidigen. Das bedeutet, Dori muss sich mit aller Kraft am nächsten Baum festhalten, um den zähnefletschenden Wolf in Schach halten zu können. Ramo reißt blitzschnell die mit tausend Kilopond belastete Leine in alle Himmelsrichtungen. Dabei gerät meine rechte Hand zwischen Baumrinde und Leine und wird wie mit Panzerketten an der scharfen Rinde entlag geschoben. Ein großer Riegel Haut mit Fleisch wird meinem Zeigefinger entrissen. Sofort spüre ich, dass sich nun ein Abgrund aufgetan hat. Wir eilen zum Auto zurück.
Ich begebe mich sofort heftig blutend in die Notaufnahme des Krankenhauses. Sylvia nimmt derweile kleinen Wolf in ihre Wohnung, ein neues, seit einigen Tagen schönes Ritual wird nun zur absoluten Notwendigkeit.
Die Verletzung ist ernst. Das abgerissene Fleisch konnte zwar genäht werden, doch nun droht eine gefährliche Infektion durch Verschmutzung wegen der Baumrinde. Adern wurden beschädigt, die Haut wird absterben und abfallen, das ist jedoch nicht so gefährlich.
Ich kann Rambo ab sofort nicht mehr führen. Ich darf, um eine Heilung überhaupt zu ermöglichen, 14 Tage lang den Finger nicht bewegen, geschweige denn die Stallarbeit machen. Ich weine. Was wird mit all den hilflosen Tieren eischließlich dem kleinen Wolf, die mich alle ehrlich unersetzlich brauchen?
Eines steht fest: Das war der
erste Warnschuss. Weitere Unfälle sind vorprogrammiert...
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Monika macht nun die volle Stallarbeit, obwohl sie eigentlich operiert werden sollte. |
Stallfreundin Monika verschiebt sofort ihren für kommenden Montag geplanten Opereationstermin. Während ihers Krankenhaus-Aufenthaltes hätte ich mich um Rambo und Lady alleinverantwortlich gekümmert. Sie hat seit Wochen eine böse Zyste am Fuß und jeder Schritt schmerzt. Moni:
"Ich mache die Stallarbeit. Du und die Tiere gehen vor!"
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Letzte Stunden mit Elke, Sylvia und unserem süßen kleinen Wolf am Xaverhof |
Elke greift helfend nach allen Seiten ein und kotzt vor Kummer um Rambo. Das ist die unerbittliche, einzige dem armen Hund noch nützende Wahrheit: Wir müssen ihn einschläfern lassen. Nicht aus Strafe! Nein, bewahre!! Das ist einfach nur eine Tatsache, an der es nichts zu diskutieren gibt, denn ich muss die logischen Konsequenzen aus dem Unfall ziehen.
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Enzo aus Calabrien protestiert gegen den Abschied. |
Enzo aus Calabrien hat eine süditalienisch-depressive Art, die ihn in kurzer Zeit zum einzigen Mann auf der Welt gemacht hat, von dem Rambo sich fast problemlos berühren lässt. Enzo: "Mich hat noch nie ein Hund gebissen. Bitte lasst den Hund am Leben! Bitte, Mutter Theresa!" So nennt er mich manchmal. Ich weine.
Xaver rennt ins Dorf und klopft an allen Türen, ob jemand den Hund nehmen mag. Antwort: "Nimm ihn doch selber!" Aber das ist wirklich keine Option. Viel zu gefährlich! Ehrlich. Alles schon längst durchgedacht.
Wir machen einen Abschieds-Spaziergang zur
Futterkrippe im Wald. Die Abendvögel singen und jubeln.
Das ist Weihnachten....
Um 19 Uhr schläft der kleine Wolf in Monis starken Armen umgeben von seinen Schutzengeln und dem weise predigenden Xaver an seinen geliebten Ort Xaverhof ein.