Es war Ende des schneereichen Winters 2006, als ich zu Mutterschaf Klee sagte, nachdem ihre Kollegin Renate zwei sehr hübsche Lämmer zur Welt gebracht hatte: "Du wirst auch so schöne Lämmchen bekommen - " Und tatsächlich: Auch Klee gebar - völlig unkompliziert - damals in der sogenannten "Pilgerhütte" einige Tage später ein Pärchen, den Don Bosco und die Scholastika. Ach seht, was für ein niedliches weißes Häubchen die Scholastika hat!
Das waren meine ersten Lämmer, ich, blutjunge Schafhirtin, selber frisch für diesen aufopfernden Beruf geboren. Kein Tierarzt da, irgendwo in einer von viel Schnee umgebenen einsamen Hütte, deren psychisch angeschlagener Besitzer die Flucht nach Spanien angetreten hatte bzw. das vorhatte.
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Die beiden Mutterschafe Renate und Klee mit den zwei Lämmerpaaren Amadeus, Angy, Don Bosco und Scholastika in der sogenannten Pilgerhütte im Februar 2006 |
Nach ein paar Monaten musste ich mit den Schafen die Pilgerhütte verlassen und kam gnadenreich beim Xaverhof an. Der Xaver hatte gerade seine 2. Gehirnblutung hinter sich, alle seine Tiere (Kühe) waren weg gegeben. So öffnete er gerne meiner kleinen Herde und mir die Tür. "Bleib hier, solange du willst!" Und da bin ich mit den Tieren nun seit 14 Jahren.
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Seit einiger Zeit fällt mir auf, dass Scholastka sich absondert. Immer
öfter wendet sie sich an mich, wie wenn sie sagen will: Dori, hilf! |
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Fakt ist, dass sie einen schweren Wasserbauch hat. |
Sie mag kaum mehr Heu fressen, das heißt nichts Gutes. Am Ostermontag hole ich den Tierarzt. Der sieht, dass Scholastika eigentlich noch ganz aktiv und positiv drauf ist und versucht, sie mit Medikamenten zu unterstützen, die ich 10 Tage lang verabreichen soll. So manchen Tag bekomme ich nur vom Hinsehen Bauchweh, doch dann sehe ich sie wiederkäuen, etwas Heu fressen oder zu den anderen Schafen auf die Weide gehen - und warte angespannt ab .
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Scholastika geht immer noch ab und zu auf die Weide. |
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Ich bringe ihr täglich frisches Gras mit, welches sie gerne mag. |
Heute war Scholastika nochmal deutlich schlechter drauf. Sie schaute mich unentwegt aus fast rollenden Augen an, kaute nicht wieder, ging nicht auf die Weide und hinterließ drei mal einen grünen Soßensee. Es ist bereits Abend, als ich nach gründlicher Beobachtung beschließe, Scholastika keine Nacht mehr in diesem Zustand zuzumuten. 20 Minuten später ist mein Tierarzt vor Ort. Er stellt fest, dass das Wasser nochmal mehr geworden ist und bereits vor der Lunge steht. Ursache ist z.B. ein Leberschaden.
Bei Schafen gibt es keine Intensivmedizin. Sie gehören zu den Armen, zu den Einfachen und Ärmsten. Deswegen waren sie auch mit die Ersten an der Krippe des heiligen Kindes damals in Bethlehem - -
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Warten auf's Sterben - Dori hat den Tierarzt gerufen, gleich wird er kommen. |
Ihr Kreislauf und Blutdruck waren schon auf minimal. Dann, nach einer geschlagenen Stunde, fand sie friedlich ihren Platz im Schatten vom Erzengel Michael und dem heiligen Wolfgang. Morgen früh wird sie von der Tierverwertung abgeholt, wie es die Vorschrift fordert. Wir stellen den Schubkarren mit der auf Heu Gebettteten oben zur Dorfstraße.
Ein kalter Ostwind kommt auf. Xaver sagt: "Hier friert sie!" Ich hole eine Decke - unser letzter Liebesdienst an ihrem schönen lieben scharzwolligen sterblichen Schafskörper.